Überlieferung
Mesopotamien
Griechenland
Indien
China
Erklärungsversuche
Zufall
Urerinnerung
Urbild
Völkerkunde
Heimat der Patriarchen
Völkerwiege Kaukasien
Wo
kamen diese Völkerschaften her
Erdgeschichte
Land unter nach der
Eiszeit
Schmelzwasserseen
Entstehung des
Persischen Golfs
Zusammenfassung |
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Ich habe wiederholt
angedeutet, dass der biblischen Erzählung ein mesopotamischer Mythos
zugrunde liegt, der uns in drei verschiedenen Fassungen überliefert ist:
Eine sumerische Urgeschichte (Ziusudra),
lückenhaft überliefert,
beginnt mit der Schöpfung, der Entstehung von Kultur und Königtum und
endet mit der Sintflut.
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Eine schwere Sturmflut führt zu einer
siebentägigen Überschwemmung. Ziusudra rettet sich auf einen
"Großschiff" und opfert nach der Flut dem Sonnengott Ochsen und
Schafe. Die Götter schenken Ziusudra das ewige Leben auf der Insel der
Seligen. |
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wurde in seiner
ältesten erhaltenen Fassung zwischen 1582 und 1562 in Sippar verfasst oder
abgeschrieben, in mehreren Abschriften aus späterer Zeit erhalten.
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Die
Geschichte beginnt ebenfalls mit der Erschaffung der Menschen, die den
Göttern die Arbeit abnehmen sollen. Sie gehen ihnen aber bald mit
ihrem Lärm so auf die Nerven, dass sie zunächst durch andere Plagen
die Menschen dezimieren und sie schließlich durch eine Flut ganz
ausrotten wollen. Der Gott Enki aber warnt den frommen König
Atra(m)chasis und gibt ihm den Rat, ein Schiff mit zwei Zwischendecks
und einem Dach zu bauen und mit Pech abzudichten. Er steigt ein,
dichtet die Tür mit Lehm ab. Dann beginnt eine siebentägige Sturmflut.
Nach der Flut opfert der König. Die Götter scharen sich wie Fliegen um
den Opferrauch. Es kommt zu einem heftigen Streit über den Sinn der
Flut. Am Ende werden die Menschen neu erschaffen und
Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, damit sie sich nicht wieder zu sehr
vermehren. |
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Die Geschichten um
Gilgamesch, den König von Uruk, wurden seit altbabylonischer Zeit (20er-
18-er Jahrhundert) in verschiedenen Fassungen überliefert. Die
Sintflutsage ist nur ein Teil davon.
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Der Flutheld heißt hier
Utnapischtim
aus Schurippak (am Euphrat, ca. 140 km südöstlich von Babel).
Utnapischtim baut auf Rat einen Gottes ein "Schiff", lädt seine Habe,
auch wilde Tiere, Handwerker und schließlich seine Familie ein. Den
Bürgern erzählt er, er wolle hier nicht mehr wohnen und zu seinem
Freund Ea in den unterirdischen Ozean fahren. Er ernennt einen
Handwerker zum Kapitän, verschließt die Tür und dann beginnt ein
furchtbares Unwetter. Ein Südsturm bringt eine so gewaltige
Überschwemmung, dass sogar die Götter Angst bekommen. Nachdem der
Sturm sich nach einer Woche gelegt hat, macht Utnapischtim eine Luke
auf und sieht, dass allen zerstört ist. Er landet auf den Berg Nisir
und lässt nach weiteren sieben Tagen hintereinander eine Taube, eine
Schwalbe und einen Raben frei, Der Rabe kommt nicht wieder.
Utnapischtim steigt aus und opfert den Göttern. |
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Die mesopotamische
Flutgeschichte muss im ganzen Orient bekannt gewesen sein, auch dem
biblischen Erzähler. Sie gelangte wohl in einer phönizischen Fassung nach
Griechenland , wo die Sage
von Deukalion und Pyrrha daraus entstanden ist:
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Deukalion und Pyrrha
Da
Zeus beschlossen hatte, die böse Menschheit zu vernichten, zimmert der
Prometheussohn Deukalion ein Schiff und rettet sich damit vor der
Sintflut, die den größten Teil Griechenlands überschwemmt. Ein paar
können sich auf hohen Bergen retten. Nach 9 Tagen landet die Arche auf
dem Parnass. Deukalion steigt aus, opfert dem Zeus und bevölkert die
Erde wieder dadurch, dass er und seine Frau die "Knochen ihrer Mutter"
(Steine) nach hinten werfen, aus denen neue Menschen entstehen. |
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Ogygos
Nach einer
nicht weiter ausgeführten Überlieferung soll schon vorher, zur Zeit
des boiotischen Königs Ogygos (Ogyges), eine große Flut gewesen sein. |
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Dass der Hauptteil der
Sage aus den Orient gekommen ist und den Griechen aus einer semitischen
Sprache bekannt wurde, sehen wir an den Namen der Helden: Deukalion (zu
lat. dux "Führer" ist eine Lehnübersetzung zu sem.
Noah
"Leiter"; der Name seiner Frau Pyrrha ist herausgesponnen aus der
semitischen Bezeichnung išša "Feuer", was eine Weiterbildung zu
eš "Feuer" sein könnte. Deukalion ist der Enkel des Titanen Iapetos, der Vater des
Urgriechen Hellen und der Urgroßvater des Stammvaters
Ion – Noah dagegen ist der
Vater Japhets und Großvater der
Urgriechen Jawan!
Nun erklärt aber die
Ost-West-Wanderung dieser Geschichte nicht, weshalb Sintfluterzählungen
auf der ganzen Welt verbreitet sind, auch in Amerika. Eine mesopotamische
Geschichte kann bis nach Griechenland und Indien gewandert sein, aber es
ist sehr unwahrscheinlich, dass sie auf diese Weise auch in Amerika
bekannt geworden ist.
Auch die indische Überlieferung kennt die Sintflutsage:
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Der Gott Vishnu, Erhalter der Welt, offenbart sich in Gestalt eines
Fischs dem Manu und kündigt ihm an, dass eine große Flut die Welt
vernichten würde. Manu baut ein Schifft, das von dem Fisch durch die
Fluten gezogen wird und schließlich auf dem Gipfel eines Berges
anlegt. Manu opfert Milch und Butter und wird Stammvater der neuen
Menschheit. |
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Der Gott Vishnu, Erhalter der Welt, offenbart sich in
Gestalt eines Fischs dem drawidischen König Satyavrata (oder
Satyavarman) und kündigt ihm an, dass binnen
sieben Tagen eine große Flut die Welt vernichten würde. Auf Geheiß des
Gottes begibt sich der König zusammen mit sieben Weisen und Tieren und
Pflanzen an Bord eines großen Schiffs. Der Fisch zieht das Schiff
durch die Fluten und bringt es zum Himalaja, wo das Schiff schließlich
landet. Seine Söhne Sharma, Charma und Jyapeti verbreiten sich auf der
Erde. |
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Ein kleiner Junge nimmt eine Bettlerin, die in
Wirklichkeit ein Gott ist, als Großmutter an. Diese kündigt eine große
Flut an, die die sündige Stadt zerstören soll. Als der Regen kommt,
besteigen sie ein Wunderschiff und retten unterwegs allerlei Tiere und
einen bösen Mann, der sie nach der Flut in Schwierigkeiten bringt. |
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Es wurde daher
versucht, die weltweite Verbreitung dieser Erzählung dadurch zu erklären,
dass es immer und überall große Überschwemmungen gegeben hätte, für die es
die beiden Möglichkeiten der Rettung (Berg oder Schiff) gab. Damit lassen
sich aber nicht die übereinstimmenden Züge vieler Sagen erklären, z.B.
dass nur "Noah" und Tiere gerettet werden, dass es am Ende ein Dankopfer
bringt, dass er der Stammvater einer neuen Menschheit wurde. Diese
"Zufallserklärung" bleibt also unbefriedigend. Es muss eine gemeinsame
Wurzel für alle Sintflutgeschichten geben.
Die nahe liegende
Erklärung ist natürlich: Wenn die Sintflut wirklich die ganze Welt
überschwemmte, so wurden alle Völker davon betroffen. Die überlieferten
Geschichten sind Urerinnerungen an dasselbe Ereignis. Aber auch diese
Deutung hat ihre schwachen Punkte: Wenn die Sintflut auch den Indianern
bekannt ist, müsste es entweder viele Noahs gegeben haben (was an sich
nicht unwahrscheinlich ist), oder die Sintflut müsste Zehntausende von
Jahren zurückliegen, so dass die Nachkommen Noah Gelegenheit hatten, auch
in Amerika einzuwandern und sich dort auszubreiten.
Der schwächste Punkt
der "Urerinnerungs-Erklärung" ist aber zweifellos, dass wir uns nicht
vorstellen können, wie ein Fünftausender wie auch die höchsten Berge unter
Wasser stehen konnten.
Es gibt gewichtige
Gründe, dass die Sintflutgeschichte nicht historisch, sondern mythisch zu
verstehen ist:
Das zeigt die
auffallende Benennung des Binsenkörbchens von Mose als "Arche" (hbr.
tébâ). Das Wasser ist ein Symbol für
die Todesmacht, die die junge Menschheit und die israelitischen Buben
bedroht und der die Helden nur mit Mühe entrinnen.
Nun hat die
Mosegeschichte ihre eigenen Parallelen in der antiken Literatur,
angefangen beim babylonischen König Sargon bis hin zu Romulus und Remus:
Immer wieder wird erzählt, dass ein böser König einem neugeborenen Jungen
nach dem Leben trachtet (vgl. auch Herodes und Jesus). Das Kind wird in
einem Behälter ins Wasser gesetzt, gerettet, wächst bei fremden Leuten auf
und kommt als Erwachsener in seine Heimat und wird dort das, was ihm das
Schicksal vorherbestimmt hat. Die Machenschaften des bösen Königs waren
erfolglos.
Wenn auch manches in
der Mosegeschichte anders ist, wird doch deutlich, dass in dieser Art von
Geschichte eben kein historisches Ereignis, sondern etwas Typisches
erzählt wir, was immer wieder passiert. So wäre also auch die
Noahgeschichte zu verstehen, nur abgewandelt als Vorgeschichte der
Menschheit.
Das Wasser der Sintflut
ist also ein "Urbild", genauso wie das Paradies mit seinem Lebensbaum und
dem Drachen ein solches Urbild ist.
Auch die Arche ist ein
solches Urbild. Es ist ja auffallend, dass die Arche Mose und Noah genauso
steuerlose Rettungsbehälter sind wie die Wanne, in der der Romulus und
Remus ausgesetzt werden. Eine solche steuerlose Arche kannten auch die
Germanen:
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Wieland der Schmied
lässt sich als erwachsener Mann in einem ausgehöhlten Baumstamm zu König Nidung, dem Räuber seines Zauberringes treiben. Dieser nimmt Wieland
gefangen, lähmt ihn und lässt ihn für sich arbeiten, bis Wieland wie einst
Daedalus mit künstlichen Flügeln wieder in die Heimat entflieht: eine
Weiterbildung der Daedalussage. Die Geschichte beschreibt das Schicksal
der Seele, das durch Zufall (daher das steuerlose Fahrzeug) in bestimmte
Verhältnisse hinein geboren, vom Leib versklavt und durch den Tod als
Flügelwesen wieder befreit wird. |
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Die Arche bei Wieland
ist also mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Urbild für die Geburt,
ähnliches trifft auch für Romulus und Mose zu. Das Baby, das zufällig im
Wasser gefunden wird, erinnert außerdem an das moderne Märchen vom
Klapperstorch, Die Mosegeschichte zeigt in einzigartiger Weise, dass die
Ziehmutter (bei Mose die Königstochter) nicht die wahre Mutter, die
irdische Heimat also nicht die wahre Heimat ist: Die Heimat der Seele ist
woanders; ihre irdische Behausung, ob Hirtenhütte oder Pharaonenpalast,
ist nur ein vorübergehender Aufenthaltsort.
Das Urbild der Arche
hat also seine eigene Geschichte, unabhängig von der Sintflut. Das zeigt
ganz deutlich die Wielandsage.
Die Arche ist auch den
Ägyptern bekannt, wenn auch die Ägypter keine Sintflut kennen.
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Nach der
Darstellung Plutarchs ermordet Seth seinen Bruder Osiris, packt die Leiche
in einen Kasten und wirft diesen in den Nil. Diese Arche schwimmt nun ins
Mittelmeer und landet in Byblos in Phönizien, wo sie nach vielen Umständen
von der Osiris-Witwe Isis gefunden und wieder nach Ägypten gebracht wird.
Wichtig ist der Zug, dass der Kasten in einen Baum einwächst; aus diesem
Baum, der die Leiche enthält wird eine Säule für einen Palast gemacht. |
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Hier ist die Arche also
ein Sarg, und der Mythos erzählt nichts von einer Auferstehung des Osiris,
wenn auch die Geschichte mit dem Baum etwas Ähnliches andeutet.
Eine ähnliche Erzählung
kannten auch die Germanen:
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Baldr wird von seinem Bruder Hödr versehentlich getötet. Die Leiche
wird in einem Schiff verbrannt, das steuerlos ins Meer treibt – dem
Totenreich zu, das hinter dem Meer liegt. |
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Bei den Nordgermanen
scheint die Bestattung im brennenden Schiff verbreitet gewesen zu sein.
Geburt, Rettung und
Tod; Binsenkörbchen, Arche und schwimmender Sarg gehen also ineinander
über. In jedem Fall deutlich ist das überall verwendete Urbild.
Trotzdem ist die
Sintflutgeschichte durch diese "Urbildertheorie" allein auch nicht zu
erklären.
Dies können wir uns am
Beispiel Moses deutlich machen. Mose war ja wie Sargon eine historische
Persönlichkeit, und niemand kommt auf die Idee, dies zu bezweifeln, nur
weil man von beiden die urbildliche Binsenkörbchengeschichte erzählt.
Gerade die Verschiedenheiten der beiden Geschichten zeigen, dass man das
Urbild auf zwei grundverschiedene Persönlichkeiten übertragen hat: auf den
König zweifelhafter Abstammung und auf den Ägypter, der in Wirklichkeit
ein Hebräer ist.
Genauso müssen wir
annehmen, dass die Urbilder Sintflut und Arche die Erinnerung an ein
historisches Ereignis zwar beeinflusst haben; aber wir können nicht sagen,
dass diese Sage nur eine Kombination beider Urbilder ist. Dann wäre die
Sintflutgeschichte ein Märchen ohne historischen Erinnerungswert.
Aber ein Märchen ist
die Geschichte eben nirgends gewesen. Denn es kommen in ihr konkrete
Personen- und Ortsnamen vor, wenn auch die Namen verschieden sind: Noah,
Utnapischtim, Deukalion; Ararat, Nisir, Parnass.
Die Verschiedenheit der
Bergnamen ist leicht zu erklären: Man dachte an einen jeweils bekannten
Berg. Ähnliche Unterschiede in der Lokaltradition finden wir auch bei
anderen Geschichten, die zweifellos historisch sind: Hieß der Berg der
Gesetzgebung Horeb oder Sinai und wo lag er? Was war das Schilfmeer?
Vergleiche auch die Überlieferung von den
Paradiesesströmen. Wo also der ursprüngliche Ort der Geschichte
nicht mehr bekannt ist, setzt man bekannte Ortsnamen sein. Das spricht
nicht gegen die Historizität der Überlieferung.
Nicht ganz so einfach
ist es mit den verschiedenen Namen des Sintfluthelden. Man mag noch
verstehen, warum in verschiedenen Völkern verschiedene Namen gebraucht
werden. Aber warum hatte der Held in Mesopotamien drei Namen?
Ich könnte mir
vorstellen, dass man die Sintflutsage mit irgendwelchen Heroen verbunden
hat. Atrachamsis war ein sumerischer König, Noah der Stammvater von drei
Völkergruppen. Utnapischtim ist im Gilgamesch-Epos nur eine Nebenfigur,
schon damals ein Heros der Vorzeit.
Es wäre auch denkbar,
gerade wenn die Sintflut ein historisches Ereignis gewesen ist, dass es
tatsächlich mehrere "Noahs" gab, etwa die Anführer einer ganzen Flotte. Da
bräuchten wir uns über die Namensverschiedenheiten nicht zu wundern. Die
Personennamen bringen uns aber bei unserem Versuch, die Sintflut zu
entdecken, nicht viel weiter, weil sehr viel mehr als die Sintflut von
diesen Helden nicht erzählt wird. Es gibt also keine Anknüpfungspunkte an
Personen, die anderweitig bekannt sind.
Noch einmal zurück zu
den Bergnamen: Trotz der Verschiedenheit der Namen suchen sowohl die
babylonische als auch die biblische Überlieferung den Landungsort hoch im
Norden in den Bergen, in denen Euphrat und Tigris entspringen. Diese
Gegend lag sowohl für die Sumerer als auch für die Israeliten am Ende der
Welt. Man kannte sie nur vom Hörensagen. Hier in der Nähe, im Land Eden
suchte Israel das Paradies, während die Mesopotamier das Paradies auf
einer Insel der Seligen im Persischen Golf vermuteten. Dies zeigt, dass
für Sumer Kurdistan oder Armenien genauso wenig aus eigener Anschauung
bekannt war wie für Israel. Dies spricht dafür, dass die Ortsüberlieferung
nicht frei erfunden sein kann. Man nimmt also nicht einfach einen
bekannten hohen Berg wie den Parnass, sondern ein weit entferntes Gebirge,
das man nur vom Hörensagen kennt.
Die griechische
Geschichte von Deukalion scheint nun allerdings uns einen Strich durch die
Rechnung zu machen. Denn die Flut verheert nur einen Teil von
Griechenland, und der Held landet mitten drin auf dem Berg Parnass am Golf
von Korinth. Also eine ganz andere Sintflut? Wir müssen aber zunächst
folgendes bedenken: Die Sage will auch erklären, wie dieser Golf
entstanden ist (bei der Flut wurde Griechenland in zwei Teile zerrissen).
Außerdem wurde ja hier die orientalische Sage in ein ganz anderes Land
übertragen und dort den örtlichen Verhältnissen angepasst.
Viel klarer
wird uns aber der Zusammenhang, wenn wir die Familienverhältnisse von Noah
und Deukalion berücksichtigen. Da erscheinen nicht nur die Namen
Japhet = Iapetos und Jawan =
Ion.
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Sondern vom Vater Deukalions,
Prometheus, wird erzählt, er habe die Menschen aus Lehm gemacht und
ihnen aus Tierseelen Leben eingegeben; die Göttin Athene habe ihnen
dann noch Verstand eingehaucht. Dann habe Prometheus die Menschen
allerlei Künste gelehrt und ihnen schließlich gegen den Willen der
Götter das Feuer vom Himmel geholt.
Dieser Teil der Geschichte variiert eigentlich nur ein altbekanntes
Thema. Interessant ist allerdings die Strafe für den Raub des Feuers:
Die Götter lassen den Sünder an den Kaukasus schmieden, wo ein Adler
täglich von seiner nachwachsenden Leber frisst. |
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Der Kaukasus liegt
für die Griechen freilich wieder am Ende der Welt – aber in verdächtiger
Nähe zu den Bergen Armeniens und Kurdistans! Von Athen zum Elbrus sind es
2800 km, vom Elbrus zum Großen Ararat dagegen nur 450 km! Dazu muss
bemerkt werden, dass die Prometheussage unabhängig von der Deukaliongeschichte ist. Beide sind nur wie in vielen anderen Fällen durch
den Stammbaum miteinander verknüpft.
Merkwürdigerweise wird nun von Noah
erzählt, er sei ein Sohn Lamechs gewesen, und zwar aus dem
Sethitenstammbaum; ein anderer Lamech aus dem Kainitenstammbaum hatte
Söhne mit den sintflutähnlichen Namen Jabal, Jubal, Tubal, und diese
hätten die Kultur erfunden. Und von Noah wird erzählt, er habe nach der
Sintflut als erster Wein angebaut. Also auch in der Bibel ein enger
Zusammenhang zwischen Sintflutheld und Kulturbringer! Die entscheidenden
Errungenschaften der Kultur wurden sowohl in der biblischen als auch in
der griechischen Überlieferung vor der Sintflut erfunden. Mancherlei
Gründe sprechen also dafür, dass dieses Bergland zwischen dem Schwarzen
und dem Kaspischen Meer und Mesopotamien eng mit der Landung Noahs nach
der Sintflut verbunden ist.
Der auffallendste
Hinweis ist allerdings die mesopotamische Überlieferung: Denn die Sintflut
sucht die Heimat, das Land Sumer heim, und sie ist geschildert wie eine
echte Sturmflut mit Südsturm, wie sie die Küste des Persischen Golfs immer
wieder erlebt haben mag. Dass da der eine oder andere Einwohner sich auf
einem Schiff rettet, und dass dieses Schiff nach der Überschwemmung auf
einer Bodenerhebung wieder landet, mag auch immer wieder vorgekommen sein.
Aber es ist eigentlich unvorstellbar, dass der Held bei dieser
Überschwemmung durch das ganze Tiefland aufwärts fährt und auf einem Berg
hoch im Norden landet! Das heißt also: Das Anschauungsmaterial für die
Flut lieferten die Unbilden der Natur und der Persische Golf; der Ort der
Landung muss uralte Überlieferung sein und nicht nur ausgedacht!
Dieses Ergebnis der
vergleichenden Sagenforschung wird nun von der Völkerkunde bestätigt:
Völkertafel
Die Völkertafel 1. Mose
10 zeigt, dass von Noah alle Völkerschaften der bekannten Welt abstammen:
von Sem die Mesopotamier, von Ham die Bewohner der Mittelmeerküste und von
Japhet die Bewohner Kleinasiens. Diese drei Gegenden aber haben ihr
gemeinsames Zentrum eben wieder in Armenien.
Die übereinstimmende
Meinung den ganzen Alten Testamente ist dass die Vorfahren Israels aus
Mesopotamien stammen: Josua 24,14 "Lasst
fahren die Götter, denen eure Väter gedient haben jenseits den
Euphratstroms." Dabei ist die Jakob-Tradition eng verbunden mit dem
Ort Haran in Syrien (l. Mose 27-31; vgl. 5. Mose 26,5 "Mein
Vater war ein Aramäer ..."; Aram war später der Name von Syrien.
Der Name Aram scheint identisch mit dem von
Armenien
zu sein – sprachlich, nicht geographisch.
Nach 1. Mose 11.28.31;
Nehemia 9,7 dagegen stammte Abraham aus Ur in Chaldäa. Diese Stadt lag in
Südbabylonien am Unterlauf den Euphrat. Dazu ist aber folgenden zu
bedenken:
-
Die Nehemiastelle
scheidet als Beleg aus; wie die Namensform Abram zeigt, beruft sich
Nehemia bereits auf Gen 11.
-
Die griechische
Übersetzung bringt an allen Stellen "das Land Chaldäa", liest also
statt Ur hbr. äräṣ. Das lässt sich aber damit erklären, dass der
griechische Übersetzer mit dem Namen Ur nichts anfangen konnte. Die
Stadt war seit der Perserzeit bedeutungslos geworden. Also muss der
Stadtname in der hebräischen Bibel richtig überliefert sein,
-
Die Chaldäer waren
ein aramäischer Stamm, der im Jahr 1070 v. Chr. in Südbabylonien ein Reich
gründete. Sie waren wohl aus dem aramäischen Raum im Norden eingewandert,
denn sie sprachen einen aramäischen Dialekt..
Dies würde wiederum in den Norden weisen.
-
Der Erzähler benutzt wohl
neben dem historischen Stadtnamen den damals modernen Ländernamen.
Zeitgemäß wäre nach Gen 11 der Name Land Schinar.
Alle Gründe sprechen
also dafür, dass die Vorfahren Abraham tatsächlich Beziehungen zu
Südbabylonien hatten.
Merkwürdig ist,
dass heute im Gebiet des Kaukasus über 40 voneinander unabhängige Sprachen
gesprochen werden; das mag mit der Isolation einzelner Gruppen in den
Tälern zu tun habe. aber es erweckt doch irgendwie den Eindruck, dass
dieses Gebiet so etwas wie eine Völkerwiege ist.
Um 3.000 lag
Kaukasien im Zentrum einiger wichtiger Völkerbewegungen: Nördlich und
östlich davon, in Südrussland und Anatolien, scheint der Ausgangspunkt der
indogermanischen Expansion gewesen zu sein; südlich davon, in Kurdistan
und Syrien war die vermutliche Urheimat der Semiten. Georgien und Spanien
hatten im Altertum denselben Namen,
Iberia,
und es scheint auch darüber hinaus Beziehungen zwischen beiden Ländern
gegeben zu haben.
Dazu kommt, dass
das Ostanatolien wichtige Impulse für die kulturelle Entwicklung gegeben
hat: Ackerbau, Streitwagen, Bronze- und die Eisenverarbeitung scheinen
dort ihren Ursprung zu haben. Wichtige Monumente der jungsteinzeitlichen
Megalithkultur in Westeuropa und im Orient finden sich in Armenien.
Merkwürdigerweise
sind ja der Kaukasus und Armenien Hochgebirge, und Gebirge, so hat man
sonst den Eindruck, werden nur unter äußerem Druck besiedelt. Wie kommt es
nun, dass das Kaukasusgebiet um 2500 Ausgangspunkt zahlreicher Völker
geworden ist? Das ist am einfachsten wohl so zu erklären, dass durch ein
äußeren Ereignis (die Sintflut?) eine ganze Menge Menschen gezwungen
waren, sich ins Gebirge zu flüchten, so dass dort sehr schnell ein
Bevölkerungsüberschuss entstand, der nach der Flut wieder abwanderte.
Was könnte das für
eine Flut gewesen sein?
Zu den
völkerkundlichen Beobachtungen gehören Überlegungen zur Erdgeschichte:
Die letzte Eiszeit
ging vor ungefähr 10-12.000 Jahren zu Ende. Damals fingen die mächtigen
Gletscher über Nordskandinavien und den Hochgebirgen an abzutauen, Die
Eiszeit hatte bisher gewaltige Wassermassen in den Gletschern gebunden, so
dass der Meeresspiegel bis zu 200 m tiefer lag als heute. Dies bedeutet,
dass Flachmeere wie die Nordsee und Teile der Adria und Ägäis trocken
lagen. Mit dem Abtauen der Gletscher wurden diese freiliegenden Flächen
wieder nach und nach vom Wasser bedeckt, bis die heutige Küstenlinie
erreicht war. Die letzten Teile der Nordsee wie das Wattenmeer und die
Doggerbank dürften erst im letzten Jahrtausend vor Christus endgültig im
Meer versunken sein.
Es haben sich also
in diesen Küstenländern in der Zeit vor Christus unvorstellbare
Katastrophen abgespielt. Tausende von Menschen, die zum Teil bereits den
Ackerbau kannten, ertranken oder verloren ihre Heimat. Das geht bis in die
historische Zeit. Der Zug der Kimbern und Teutonen soll dadurch ausgelöst
worden sein, dass sie ihre Heimat durch Sturmfluten verloren hatten. Die
Seevölkerwanderung um 1200 v. Chr., durch die die Philister nach Kanaan
kamen, scheint ähnliche Ursachen gehabt zu haben.
Das Abschmelzen der
Gletscher führte nicht nur zum Steigen des Meeresspiegels; es entstanden
durch das Schmelzwasser auch neue Meere wie die Ostsee. Das Schwarze und
Kaspische Meer dürften ebenfalls in dieser Zeit entstanden sein.
Mindestens führten aber die russischen Flüsse Djnepr, Don, Wolga und Ural,
die diese Seen speisen. dermaßen viel Wasser, dass die Seen über ihre Ufer
traten. Ganz Kasachstan muss damals unter Wasser gestanden haben. Städte
wie Wolgograd, Saratow, Uralek hätten damals am Ufer den Meeren gelegen.
Nördlich des Kaukasus bestand zwischen beiden Meeren eine Verbindung über
die Manytschsenke. Wo heute die südrussische Steppe ist, dehnte sich eine
Wasserwüste aus. Auch hier müssen sich also furchtbare Katastrophen
abgespielt haben, als dort bewohntes Land nach und nach im Wasser versank.
Was blieb den
Bewohnern Südrussland anderen üblich, als sich in die Berge zu flüchten?
Denn eine Flucht nach Norden war unmöglich, weil die ganze russische
Niederung eine einzige Sumpflandschaft war. In den Bergen, im Kaukasus und
in Armenien stauten sich also die Flüchtlinge, drängten Ureinwohner nach
Süden ab und lösten ganze Lawinen von Völkerwanderungen aus.
Ebenfalls nach dem
Ende der Eiszeit dürfte der Persische Golf entstanden sein. Dieses flache
Gewässer ist an den meisten Stellen kaum tiefer als 36 m (tiefster Punkt:
110 m) und könnte während der Eiszeit teilweise trocken gelegen haben.
[a] Die
Meerenge von Hormuz schließt das Flachmeer gegen den Golf von Aden ab, der
über 5000 m tief ist. Euphrat und Tigris mündeten also wohl erst dort; ihr
Flussbett stürzt wohl steil in den Ozean ab.
Mit dem Ansteigen
des Meeresspiegels könnte eine Flutwelle durch die Flussmündung ganz
plötzlich mit verheerender Gewalt in die tiefer gelegenen Stellen des
Golfs eingebrochen sein und die "sumerische Sintflut" ausgelöst haben.
Vielleicht haben
die Vorfahren der Sumerer in diesem später überfluteten Tiefland gelebt;
ein paar konnten sich retten und erzählten die Geschichte ihren
Nachkommen. Diese stellten sich dann vor, die Katastrophe hätte sich an
der historischen Küste (damals bei Ur) abgespielt.
Im
Gilgamesch-Epos
XI 195f wird Utnapischtim ("Noah") unter die Götter aufgenommen und
bekommt seinen Wohnsitz zugeteilt "fern an der Ströme Mündung". Der
ursprüngliche Wohnsitz des Helden, Schurippak, lag nur etwa 70 km von der
damaligen Euphratmündung entfernt. Direkt an der Mündung lag die Stadt Ur.
Die "Mündung der Ströme" war also damals dicht besiedelten Land – keine
Spur von einem mythischen Land, in dem die Götter wohnen. Diese Stelle
lässt sich eigentlich nur verstehen, wenn wir annehmen, dass zur Zeit
Utnapischtims die "Ströme" Euphrat und Tigris sehr viel weiter südlich ins
Meer geflossen sind.
Der eigentliche
Held des Epos, Gilgamesch, wohnte in Uruk, das ein ganzes Stück näher am
Meer lag. Um zu seinem Ahnen Utnapischtim zu gelangen, muss der Held durch
den Berg Maschu und durch undurchdringliche Dunkelheit durch. Er kommt
dann durch der Garten der Götter ans Meer, besteigt ein Schiff und
erreicht nach weitem Weg das "Wasser des Todes", das er nur rudernd
durchqueren kann, und erst denn kommt er ans andere Ufer, wo sein Ahn
Utnapischtim auf ihn wartet. Die mythischen Bilder Berg, Finsternis,
Göttergarten, Schiff, Meer sind natürlich nicht auf geographische
Verhältnisse zu übertragen. Klar ist jedenfalls, dass Gilgamesch ein
längeres Stück Weg zurücklegen muss, bis er das Meer erreicht. Dass
Utnapischtim nicht an der "Mündung der Ströme", sondern jenseits des
Meeren wohnt, zeigt, dass das Gilgamesch-Epos und Sintflutsagen nur lose
miteinander verknüpft sind. Oder ist bei den "Strömen" gar nicht an
Euphrat und Tigris, sondern an andere Flüsse gedacht? Aber an welche?
Wir halten also
fest: Sowohl aus der Sintflutsage als auch aus dem Gilgamesch-Epos geht
hervor, dass zur Zeit Utnapischtims die beiden Ströme weiter südöstlich
ins Meer flossen, Dies gibt Anlass zur Vermutung, dass die Urheimat der
Sumerer der Persische Golf war.
Den
Sintflutberichten scheint also eine Erinnerung an katastrophale
Überschwemmungen, u. a. in Südrussland und im Persischen Golf zugrunde zu
liegen. Die Bewohner der bedrohten Gebiete suchten Zuflucht im
kaukasischen und armenischen Bergland.
Das Völkergemisch
in Armenien führte zur Entstehung neuer Völkerschaften und zum
Kulturaustausch. Dass dort eine die Völkerwiege und ein wichtiges
Kulturzentrum stand, braucht uns also nicht zu wundern,
Die Erinnerung an
diese Ereignisse wurde exemplarisch festgehalten in der Sage von einem
Stammesführer, der sein Volk in die sicheren Berge geführt hatte oder von
einem Flottenkapitän, der seinem Volk eine neue Heimat gesucht hatte.
Beide Sagentypen sind dann zu einem einzigen verschmolzen.
Die geschichtlichen
Erinnerungen wurden ausgemalt und beschrieben in den Farben neuerer
Erlebnisse von Sturmfluten z.B. in Mesopotamien, und dargestellt mit den
uralten Bildern von den bedrohenden Wassern und der rettenden Arche.
Nachdem nun in
Mesopotamien dieser überall in verschiedenen Formen bekannte Sagenkreis
seine dichterische Gestalt gefunden hatte, und nachdem die sumerische und
babylonische Kultur im ganzen Orient Schule machte, begann ein Typ von
Geschichte die anderen Sagen zu überlagern und sich allgemein,
durchzusetzen. Die babylonische Geschichte wurde auch in Palästina
bekannt, von verschiednen biblischen Schriftstellern nacherzählt und
theologisch neu durchdacht. Sie gelangte schließlich auch nach
Griechenland und wurde den dortigen Verhältnissen angepasst.
Dabei geriet nicht
in Vergessenheit, wo die neue Heimat des Helden war, nämlich im Bergland
hoch im Norden. Man begann aber im Laufe der Zeit, sich über den genauen
Landungsort beziehungsweise. über den Berg Gedanken zu machen und verfiel
schließlich auf den höchsten Berg Armeniens, auf den
Großen Ararat, der vielleicht schon
längere Zeit als heiliger Berg galt und Wallfahrtsort war.
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Sagenhelden
Ziusudra
Atra(m)chasis
Gilgamesch
Deukalion
Ogygos
Manu
Satyavrata
Wieland
Osiris
Baldr
Prometheus
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