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Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
Das multiplikative Zwanzigersystem |
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A. Westeuropäisch, georgischI. AllgemeinesIn Westeuropa und Georgien gibt es ein alternatives System für die Zahlen zwischen 20 und 100, das nicht in Zehnerschritten, sondern in Zwanzigerschritten zählt. Es wird z. T. an Stelle des ererbten Zehnersystems, z. T. neben ihm benutzt. Auch die Zahlen zwischen 10 und 20 werden oft anders gebildet als die höheren Zwischenwerte im Zehnersystem, vgl. deutsch dreizehn (3 X) – dreiundzwanzig (3+Z)
Nur das Baskische ist regelmäßig: hamahiru (X 3) – hogeita hiru (Z 3) Hier geht es wohl nicht darum, feststehende Mengen oder das Ergebnis von Rechenoperationen zu benennen, sondern um die praktischen Erfordernisse des Zählens, etwa mittels Kerben, bei denen es praktisch schien, die Werte zwischen 20 und 100 in Zwanzigergruppen zu ordnen. Die Bedürfnisse des Zählens ergaben das Zwanzigersystem, während für die Angabe von Mengen und Rechenergebnissen das ererbte Zehnersystem besser war – besonders, wenn man an die Verwendung des Rechenbretts denkt, das ja in Zehnern gruppiert ist. Es gibt ja heute noch neben dem Zehnersystem das Zählen in
das keine alte Tradition hat und sich erst im Mittelalter als kaufmännische Gepflogenheit herausgebildet hat. II. Westeuropäische Einzelsprachen
Bei den folgenden Tabellen zeigt X das Wort
zehn, Z zwanzig und H hundert an. 1. Keltischa. allgemeinAuf den Britischen Inseln hat man überhaupt gern größere Zahlen durch Multiplikation gebildet:
b. Zählen mit ZwanzigernBesonders verbreitet als Alternative zum Zehnersystem ist das Zählen in Zwanzigern:
Das Zählen in Zwanzigern ist also im Gaelischen am stärksten ausgeprägt. Interessant beim Bretonischen ist die Division ½×100, die einzigartig dasteht. Das Irische hat daneben die alten idg. Formen 30 triocha 30, caoga 50, seasca 60, seachtó 70, ochtó 80, nócha 90 erhalten. Das Cymrische zählt alternativ in Zehnerschritten ähnlich wie im Deutschen dau ddeg 20, tri deg 30, pedwar deg 40 usw. Vgl. unser zwan-zig, drei-ßig, vier-zig (N×10, deg = -zig). 2. FranzösischDas Französische hat davon nur
wohl aus dem Keltischen übernommen. 3. Die isolierten Sprachena. Baskisch
Bildungsweise: N.Z, N.Z.X b. Georgisch
Bildungsweise N.(m).X, N.(m).N+X c. VergleichDie einzelnen Zahlwörter sind in beiden Sprachen nach dem Muster N.Z, N.Z.X angeordnet. Während aber das Georgische N und Z mit einem Gleitlaut /m/ und Z mit X durch da 'und' verbindet, stehen im Baskischen die einzelnen Elemente unverbunden hintereinander. Beide Sprachen haben für 20 ein eigenes Wort, das sich nicht als Ableitung von "zwei" oder "zehn" verstehen lässt. Bask. hogei und georg. otsi ähneln aber einander und könnten ein entfernter Widerhall der idg. Wörter für 20 sein:
Damit ist aber noch nicht erklärt, wieso Basken und Georgier nicht nur auf die gleiche Weise zählen, sondern darüber hinaus auch noch andere Gemeinsamkeiten haben.. B. Sonderfall Dänisch
Während das Altnordische und mit ihm die anderen nordischen Sprachen die Zahlen völlig regelmäßig bildet, geht das Dänische ab 50 zu einer ganz eigenartigen Methode von Zwanzigerschritten über, bei dem 60, 80 100 als das N-fache von 20 ausgedrückt werden und 50, 70, 90 als halb-N bezeichnet werden. Ähnlich bezeichnen wir traditionell die Zwischenwerte auf der Uhr:
Hier scheint also eine alte mitteleuropäische Anschauung zugrunde zu liegen, die von festen Eckdaten (hier den Zwanzigern) ausging und manche Zwischenwerte als Brüche definierte. Vorausgegangen ist wohl eine Methode, die Zwischenwerte bei den Einern anzugeben als
Diese Ausdrucksweise scheint nicht von einer Zählmethode, sondern vom Messen oder Wiegen zu kommen, wie wir ja auch sagen 3 ¼ Pfund, 1 ½ km. Merkwürdig ist, dass diese Methode erst ab 50 beginnt. Es schien also erst bei den hohen Zahlen sinnvoll, in Zwanzigerschritten zu zählen. Das dänische Zahlensystem steht einzigartig da und hat anscheinend weder in den germanischen Sprachen noch ihren Vorstufen eine Parallele. Es ist nur bedingt vergleichbar mit dem westeuropäischen und georgischen System, da bei den Zahlen zwischen 50 und 90 nur die Multiplikatoren genannt werden, nicht der Multiplikand 20 selbst, und die Zwischenwerte nicht als N+10, sondern als ‑½+N definiert werden. Vergleichbar dazu ist allenfalls das Bretonische, wo hanter kant 50 = ½×100 bedeutet. C. ZusammenfassungNach all dem oben Gesagten scheint das Zählen in Zwanzigern kein altes Erbe, etwa aus vorindogermanischer Zeit, zu sein, sondern eine Neuerung, die sich aus den praktischen Erfordernissen des Zählens, Messens und Wiegens herausgebildet hat. Dafür spricht besonders
Die indogermanischen Wörter für 20 lassen sich erklären als lat. bis decem 2×10. Die ähnlich klingenden baskischen und georgischen Wörter lassen sich nicht aus diesen Sprachen erklären und könnten in verstümmelter Form aus dem Indogermanischen entlehnt sein. Angesichts des fast gleichen Aufbaus der Zahlen zwischen 10 und 20 in beiden Sprachen und sonstiger Übereinstimmungen muss ich aber annehmen, dass eine alte Verwandtschaft zwischen Baskisch und Georgisch besteht. |
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Datum: 2004 / 2005 Aktuell: 18.01.2022 |