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Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
HinkelsteinSprachecke in den Echo-Zeitungen |
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Name: Obelix, Beruf: Hinkelsteinlieferant. So kennen wir ihn, den wohlbeleibten, aber nicht dicken Freund des Galliers Asterix. Dank seiner Zauberkraft trägt er die tonnenschweren Steinbrocken mühelos und stellt sie seinen Kunden zu. Die Comicserie nimmt Bezug auf die weltbekannten Steinmonumente in der Bretagne, die vor Jahrtausenden errichtet wurden. Man nennt sie dort Menhire, aus bretonisch maen-hir 'langer Stein', das ist auch das wissenschaftliche Fachwort. Nur wenige wissen, dass es Menhire auch in Südhessen gibt. Mindestens 30 werden in Flurnamen genannt [2], gerade fünf davon sind erhalten [1]. Je zur Hälfte heißen sie Langer Stein und Hinkelstein. Eine Variante davon ist Gluckstein, Glockenstein (zu Glucke 'Mutterhenne'). Hinkel ist das rheinfränkische Wort für 'weibliches Huhn'. Wie kommt der lange Stein zu seinem merkwürdigen Namen? Das verrät uns die thüringische Variante Hünenstein, das man in unsrer Gegend als 'Hühnerstein' missdeutet und mit Hinkelstein übersetzt hat. Hünen oder Heunen, das sind vorzeitliche Riesen. Nur sie, glaubte man, hatten die Kräfte, solche Steinkolosse zu transportieren und aufzurichten. Auch die norddeutschen Hünengräber, die Heunensäulen bei Miltenberg und die Riesensäule auf dem Felsenmeer verdanken dieser Vorstellung ihre Namen. Damit ist aber noch nicht alles erklärt: Aus Alsbach
wird überliefert, dass um 1800 die Mütter ihre Kinder, wenn sie böse waren,
zum dortigen Hinkelstein geführt hätten. Sie hätten daran geklopft und
gesagt: "Hört ihr nicht die Hinkel unter ihm schreien, die picken unartigen
Kindern die Augen aus." Dass man in Alsbach an unterirdische "Hinkel" dachte, erklärt sich zwar aus dem Namen, lässt aber eine ganz andere Vorstellung erkennen: Hühner sind Vögel und der Vogel ist ein uraltes Symbol für Geist: Scheinbar schwerelos kann er sich in der Luft halten, wie ja auch Geister keiner Schwerkraft unterliegen und "schweben". Todesnahe Erfahrungen gaben dieser Vorstellung immer wieder Rückhalt. Die Flügel, mit denen wir Engel ausstatten, sind ursprünglich Attribute des Geistes, keine Transportmittel für den Weg in den Himmel. Die Übersetzung Hinkelstein beruht also zwar auf einem Missverständnis, kann aber an alte Vorstellungen anknüpfen und hat sich daher durchgesetzt. |
[1] Rudolf Kunz, Heimatbuch Alsbach S.22; Ergänzung unten [2] Südhessische Flurnamen 497: Hinkelstein in Alsbach, Beedenkirchen, Bensheim, Brandau, Darmstadt, Dietzenbach, Erzhausen, Gadernheim, Gronau, Jugenheim, Lorsch, Malchen, Nd.-Liebersbach, Ober-Liebersbach, Reinheim, Zellhausen Variante: Glockenstein (Lorsch) 625-27 Variante Langen Stein in Astheim, Bürstadt, Fehlheim, (Georgenhausen), Hembach, Hirschhorn, Klein-Krotzenburg, Mainflingen, Neu-Isenburg, Spachbrücken, Überau, Urberach, Vielbrunn |
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Es
sind in Südhessen mehr als fünf Menhire erhalten. Zwischen Diese jungsteinzeitliche Menhiranlage wurde 1967 von dem Roßdörfer Heimatforscher Heinrich Gunkel in den Hirtenwiesen entdeckt. Mindestens 14 Steine bildeten links und rechts des Ruthsenbaches eine Menhiranlage, zu der es in unserer Region nichts Vergleichbares gibt. Es handelt sich eventuell um die Reste eines Cromlechs, also um eine Steinkreisanlage, von der heute noch sieben Steine an der Fundstelle zu sehen sind. Die Hirtenwiese gehört zu den Scheftheimer Wiesen, die im Jahre 1994 zum Naturschutzgebiet erklärt wurden. Die Menhiranlage liegt am Rande, aber noch innerhalb des Naturschutzgebietes. Sie darf grundsätzlich nicht betreten werden. Allerdings hat das Regierungspräsidium Darmstadt dem Kulturhistorischen Verein Roßdorf außerhalb der Brutzeit jährlich zwei Führungen genehmigt. 26.01.2009 |
Literatur:
Gisela Poser, Die Menhiranlage zwischen Darmstadt und Roßdorf in ihrem kulturgeschichtlichen Zusammenhang, herausgegeben vom Kulturhistorischen Verein Roßdorf. (2007) |
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Datum: 06.02.2007 Aktuell: 09.02.2019 |