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Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
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Leserbrief: Meÿer, Meijer |
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Namen unterliegen nicht den Regeln der Rechtschreibung. Kein Wunder, dass es so viele unterschiedliche Schreibarten gibt. Besonders auffällig ist das beim dritthäufigsten[1] Familiennamen: Maier, Majer, Mayer, Meier, Mejer, Meyer, Mair, Meir, Meyr.[2] Das sind fast alle Möglichkeiten, wie man diesen Namen schreiben kann. Diese Vielfalt beruht nicht auf Rechtschreibschwäche oder Willkür, sondern hat System: Die Namen mit e sind hauptsächlich norddeutsch, die mit a süddeutsch.[3] Dieser Unterschied hat sich vor 600 Jahren herausgebildet, als das Neuhochdeutsche mit seinen Dialekten entstand. Die alte Schreibung für den Doppellaut war ei, gesprochen "äi" oder "ê". Im Süddeutschen kam dafür die Aussprache "ai" auf, daher auch mit ai geschrieben.[4] In anderen Gegenden blieb man bei der alten Schreibung, die sich dann auch allgemein durchsetzte. Y ist eine besser erkennbare Variante des unscheinbaren i. Die Formen ohne e sind Wörtern wie Baur, Feur nachempfunden, die mit gerolltem r gesprochen wurden, also kein e als Übergangslaut brauchten. Lateinisch mâior 'größer' entspricht unserm mehr, das früher dieselbe Bedeutung hatte.[5] Als Titel bezeichnete Mâior einen Vorgesetzten, daher der Offiziersrang Major (aus spanisch mayor) und französisch maire 'Bürgermeister'. Der Mâior dómûs war Verwaltungsleiter bei den frühmittelalterlichen Königshöfen. Bei den Franken hatten die Vorfahren Karls des Großen als "Hausmeier" erhebliche politische Macht.[6] Der einfache Meier hatte nicht so viel zu sagen. Er verwaltete einen herrschaftlichen Gutshof.[7] Zwischen Meier im Norden und Maier im Süden klafft eine Lücke, die von Hofmann, Hoffmann gefüllt wird. Offensichtlich war das der Titel des Gutsverwalters in Mitteldeutschland.[8] In Westfalen überwiegt stattdessen Schulte, eigentlich Schultheiß. Das war ein herrschaftlicher Beamter, der bei uns als Schultes,[9] Schulz, Scholz Ortsvorsteher war,[10] in Westfalen aber Großbauer.[11] Meier diente auch als deutsche Form des jüdischen Vor- und Familiennamens Me'ir[12] 'leuchtend', wohl im Sinn von 'glänzend, berühmt'. Der Schriftsteller Eisik Meir Dick (1807-93) nannte sich auch Isaak Mayer Dick.[13] Bis nach 1800 schrieb man Familiennamen nach dem Gehör, also Zirgibel, später Ziergöbel statt Zörgiebel[14]. Manchmal versuchten die Pfarrer auch Familienzweige zu unterscheiden wie Wiesenäcker und Wiesenecker[15]. Im 19. Jahrhundert mahnten die großherzoglichen Behörden mehrfach, die einmal gewählte Schreibung beizubehalten. Aber erst mit der Einführung der Standesämter 1876[16] wurde die damalige Namensform endgültig. Dabei ergaben sich auch Neuerungen wie Vonderheit statt wie bisher Von der Heid.[17] |
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[1] Duden, Familiennamen (2000) 456 [3] Konrad Kunze, dtv-Atlas Namenkunde (2004) 216 [4] Virgil Moser, Einführung in die frühneuhochdeutschen Schriftdialekte (1971) 131 [8] Kunze 217 [9] Kunze 132 f [10] Südhessisches Wörterbuch 5,815 [11] Fr. Woeste, Wörterbuch der westfälischen Mundart (1882) 234 [14] Zeilhard 1819 (Heimatbuch 3,151) [15] Leeheim [17] Zeilhard (Heimatbuch 3,147) |
Eine Leserin machte mich auf die Schreibung Meÿer, Meijer aufmerksam und vermutete für Meijer niederländische Herkunft.
Meine Antwort:
Es ist
richtig, dass es im Niederländischen den Doppelbuchstaben ij gibt,
entstanden aus langen i (eigentlich ii) und ausgesprochen so ähnlich wie äi.
Unsre südlichen Nachbarn nennen sich Schwyzer, gesprochen mit langem i, wir
sagen Schweizer. Da hat sich von derselben Grundlage heraus die Aussprache
unterschiedlich weiterentwickelt. IJ und y ist also dasselbe Zeichen. Und
zur Verwirrung kommt noch hinzu, dass im Englischen und in den romanischen
Sprachen y das Zeichen für j ist. |
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Datum: 28.01.2014 Aktuell: 09.02.2019 |